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Engagiert geehrter Herr Professor,
unser geliebtes Leder rollt und wir fühlen, wie sich in uns etwas unerwartetes tut. Flügel wachsen uns aus den Schultern, unsere schäbigen Visagen transformieren sich zu Engelsgesichtern und der Duft der Veilchen schwebt in der Luft wie odor sanctitatis. Wir lotsen die Omas über die verkehrsreichen Straßen und streicheln über die Köpfe irgendwelcher unerträglichen Blagen. Wir lernen Suahili um einem herumirrenden Passanten den Weg zum Flughafen zu erklären ... Und es ist alles ...
Die Liebe! Die Liebe verändert uns, gibt unserem Leben einen tieferen Sinn, macht uns sanftmütig, verträumt und altruistisch. Die Liebe zu diesem runden, flattrigen Ding, das uns alle verführt und in seiner Macht hält. Aber die Liebe macht bekannterweise auch blind. Und so sehen wir nicht, wie uns eins nach dem anderen gnadenlos reingehauen wird. Mehrwertsteuererhöhung – peng! 1 : 0! Studiengebühren – peng! 2 : 0! Wieder tausende Arbeitsplätze verloren – peng! 3 : 0! Tore! Tore! Tore!
Und wir sagen nichts. Wir sitzen wie verzaubert vor dem Bildschirm und mit benebelten Augen das Objekt unserer Begierde anschmachten. Wir merken nicht, wie wir das Spiel verlieren. Wo ist unsere Abwehr? Ich will sie kämpfen sehen! Oder ist es schon zu spät?
Ihre nüchtern entzauberte
Studentin